Die besten astronomischen Teleskope – ob groß oder klein – sind heutzutage hinsichtlich ihrer Optiik, Mechanik und elektronischen Steuerung nahezu perfekt ausgestattet. Sofern es also keine technischen Defizite gibt, sollte der Weg frei sein, die maximal mögliche Leistung eines Teleskops auszureizen. Doch leider gibt es mehrere “Feinde”, welche die Qualität astronomischer Beobachtungen stark einschränken können. Einer ist das sogenannte atmosphärische “Seeing”. Es reduziert drastisch die theoretisch mögliche Bildschärfe. Doch heutzutage gibt es erstaunliche Möglichkeiten, etwas gegen das Seeing zu tun – Möglichkeiten, die auch Nutzer von Webservatory anwenden können.
Eigentlich ist alles relativ einfach: unter der Annahme, dass ein Teleskop sonst keine technischen oder optischen Defizite hat und wir ein High-Tech-Messinstrument wie z:B. eine moderne Astrokamera im Fokus installiert haben, bestimmt quasi nur ein Parameter die mögliche Leistungsfähigkeit des Teleskops: sein Durchmesser. Oder genauer: die freie Öffnung bzw. die Größe des Hauptspiegels (oder im Falle eines Linsenteleskops des Objektivs).
Mit steigendem Durchmesser wird mehr Licht gesammelt und umso lichtschwächere Sterne können bei gleicher Belichtungszeit detektiert werden. Verdoppelt man den Durchmesser des Hauptspiegels, wird vier Mal so viel Licht gesammelt.
Insbesondere bestimmt der Durchmesser aber auch die theoretisch mögliche Auflösung eines Teleskops. Bei doppelter Öffnung bekommt man rechnerisch die doppelte Auflösung. Das bedeutet, dass beispielsweise zwei eng nebeneinander liegende Details auf der Oberfläche des Seite 1 von 9 Mondes oder eines Planeten oder auch zwei Komponenten eines Doppelsterns nur dann als eindeutig getrennt abgebildet werden können, wenn ihr Winkelabstand am Himmel eine für einen bestimmten Durchmesser des Teleskops gegebene Grenze nicht unterschreitet. Eine Steigerung der Abbildungsgröße (des “Zoom”, also quasi der “Vergrößerung”) bringt also keineswegs mehr Details hervor, sondern macht nur das Bild größer, was das Teleskop auflösungstechnisch anbietet. (Angemerkt sei hier, dass wir in Zusammenhang mit Aussagen zur Auflösung in diesem Kontext immer voraussetzen, dass die Pixelgröße einer Kamera im Fokus eines Teleskops immer fein genug und so abgestimmt ist, dass nicht künstlich Auflösung verschenkt wird (z.B. durch zu große Pixel).)
Der Grund für das Auflösungsvermögen liegt in der Welleneigenschaft des Lichts. Sie führt zu Beugungseffekten, sobald die Strahlung an einem Hindernis entlangläuft oder eine Blende passiert. Die Beugung sorgt dafür, dass eine perfekte Punktquelle wie z.B. ein Stern im Fokus eines Teleskops als sogenanntes Beugungsscheibchen abgebildet wird. Die Ausdehnung dieser Lichtverteilung ähnelt einer dreidimensionalen Gauß´schen Glockenkurve und ist umso kleiner, je größer der Durchmesser des Teleskops ist. Zwei eng benachbarte Sterne können also nur getrennt abgebildet werden, wenn die Überlappung der beiden Beugungsscheibchen gerade noch eine Unterscheidung möglich macht.
Für eine mittlere Wellenlänge des sichtbaren Lichts kann man mit einer einfachen Faustformel schnell und einigermaßen genau die Auflösung eines Teleskops abschätzen:
12/Durchmesser [cm] = Auflösung in Bogensekunden
Ein Teleskop mit einer Öffnung von 12cm erreicht also im sichtbaren Licht in etwa die Bogensekunde-Grenze. Ein 60cm-Teleskop schafft etwa 0.2 Bogensekunden Auflösung und das Hubble-Weltraumteleskop mit seinem 2.4m Spiegel 0.05 Bogensekunden. Zum Vergleich: der scheinbare Durchmesser des Mondes am Himmel beträgt ein halbes Grad (= 30 Bogenminuten = 1800 Bogensekunden) und der Planet Jupiter hat etwa 40 Bogensekunden scheinbaren Seite 2 von 9 Durchmesser. Man kann also schon mit einem relativ kleinen Teleskop Einzelheiten auf dem Jupiter abbilden.
Der “Schärfekiller” – das Seeing
Soweit die Theorie. Denn leider kommt nun in der Praxis das schon erwähnte Seeing ins Spiel. Und zwar viel gravierender, als mancher Laie denkt. Mit Seeing bezeichnet man in der Astronomie die Unschärfe in der Abbildung von Himmelsobjekten, die durch Turbulenzen in der Erdatmosphäre verursacht werden. Das Funkeln der Sterne ist eine Folge davon. Bei großem Abbildungsmaßstab (hoher “Vergrößerung”) und hoher zeitlicher Auflösung sieht man, dass die Punktquelle eines Sterns nicht nur von einem Bruchteil in der Sekunde zum nächsten hin- und her hüpft, sondern auch ständig mehr oder weniger stark deformiert ist.
Bei den in der Astronomie verbreiteten längeren Belichtungen z.B. für die Aufnahme von lichtschwachen Galaxien, Sternhaufen und Nebeln summieren sich die ständig wabernden Bilder eines Sterns (oder jedes anderen feinen Details) zu einem mehr oder weniger ausgedehnten Fleck. Und dieser Fleck ist quasi immer viel größer als das Beugungsbild des Sterns – und damit die erzielte Auflösung und Detailschärfe eines Teleskops deutlich geringer als das theoretisch mögliche Auflösungsvermögen.
Das Schlimme ist: dies gilt praktisch für alle Teleskope – egal ob groß oder klein. Das durchschnittliche Seeing an einem, nicht unbedingt für astronomische Beobachtungen prädestinierten Ort (wie in Deutschland) beträgt 2-3 Bogensekunden. Selten erreicht es mal eine Bogensekunde (u.U. auf hohen Bergen). Nur an den besten astronomischen Standorten der Welt wie beispielsweise in Chile, auf den Kanaren oder auf Hawaii erreicht man regelmäßig Werte von deutlich unter einer Bogensekunde. Aber selbst dort sind dann Werte von 0.3-0.5 Bogensekunden relativ selten.
Mit obiger Formel kann man nun schnell etwas Erstaunliches berechnen: Selbst an den Top- Standorten erreicht man mit Teleskopen bestenfalls eine Auflösung, die dem Beugungslimit eines 20-30cm-Teleskops entspricht. Ohne besondere Hilfsmittel, um die Auflösung zu steigern, erreicht man mit einem Großteleskop also nur ein größeres Lichtsammlungsvermögen. Bei der Bildschärfe wäre man selbst unter besten Bedingungen auf das Level eines größeren Amateurfernrohrs limitiert.
Um dieses Problem zu umgehen, gab es über viele Jahre hinweg nur die äußerst aufwändige Möglichkeit, ein Teleskop über die Atmosphäre – also in den Weltraum zu bringen. Und so musste die fantastische Bildschärfe des Hubble-Teleskops geradezu legendär werden.
Heute sind Weltraumteleskope nach wie vor unersetzliche Instrumente, die uns Einblicke in den Kosmos erlauben, die von der Erde aus unmöglich sind. Neben der natürlich immer unverminderten Bildschärfe liegen die Vorteile aber vor allem bei nur im All nutzbaren Wellenlängenbereichen. So ist das James Webb Teleskop vor allem im Infraroten aktiv, was aus wissenschaftlichen Gründen äußerst wichtig ist.
Bei der Auflösung können aber manche bodengebundene Großteleskope mittlerweile mithalten oder sind – bei größerem Spiegeldurchmesser als ein Weltraumteleskop – sogar im Prinzip überlegen, obwohl man ja immer noch durch die Atmosphäre schauen muss. Aber wie schafft man es dann, das Seeing zu überlisten?
Die komplexe und teure Lösung: Adaptive Optik
Eine technisch sehr aufwändige Variante ist die Ausstattung der Teleskope mit Adaptiver Optik. Durch sogenannte Wellenfrontsensoren kann man die durch das Seeing verursachten Bildturbulenzen anhand von Referenzsternen im Gesichtsfeld messen und durch das Ansteuern hochflexibler, deformierbarer Spiegel in Echtzeit im Strahlengang quasi Bildfehler erzeugen, die denen, welche die Atmosphäre verursacht, entgegengesetzt sind. So gelingen im Millisekundenbereich Korrekturen, die im Fokus des Teleskops ein praktisch perfektes, nur noch durch die Beugung limitiertes scharfes Bild liefern. Die Technik der Adaptiven Optik ist jedoch nicht nur komplex und aufwändig, sondern leider auch sehr teuer. Für kleinere Teleskope ist so etwas momentan kaum realisierbar. Doch es gibt eine ebenfalls recht neue Technik, die es bei jedem Teleskop möglich macht, dem Seeing zumindest weitgehend ein Schnippchen zu schlagen: Lucky Imaging!
Die relativ günstige Alternative: Lucky Imaging
Lucky Imaging ermöglicht es, selbst mit kleinen Teleskopen so scharfe Aufnahmen von Sonne, Mond, Planeten und Doppelsternen zu machen, wie sie noch vor wenigen Jahrzehnten selbst mit den besten und größten Teleskopen der Welt unmöglich waren. Und in einigen Fällen kann die Technik zumindest in etwas verminderter Version auch für die Aufnahme zumindest einiger sogenannter Deep Sky Objekte angewendet werden – also von Objekten wie Sternhaufen, Galaxien oder Gasnebel, die man normalerweise nur mit den langbelichteten Aufnahmen in Verbindung bringt.